Kunstkalender Pottikonen 2024 – Juni

Tuffies Patina
Eine dünne Schicht für den Dickhäuter

Eine Patina beschreibt im eigentlichen Sinne des Wortes zunächst einmal nur eine „dünne Schicht“ und entspricht damit auch der Bedeutung des Wortes „Firnis“. Beide Bezeichnungen finden im Bereich der Oberflächenbehandlung und Veredelung Anwendung.

Ein nicht bearbeiteter, unpatinierter Bronzeguss wirkt recht unspektakulär.
Die stumpfe Farbigkeit erinnert beinahe an orthopädische Strümpfe, gewinnt jedoch schon bei der Bearbeitung mit der Stahlbürste an Charakter.
Auf Hochglanz poliert besitzt Bronze eine goldene Farbigkeit, die allerdings im Gegensatz zu Gold, recht schnell anläuft, wenn sie nicht regelmäßig poliert wird.

Die Patina in der Welt des Bronzegusses ist irgendwie mit der Suche nach dem heiligen Gral vergleichbar. Der Unterschied ist, dass hier nicht das Ergebnis der Gral ist, sondern der Weg dorthin das Geheimnis bleibt. Und das gleich aus verschiedenen Gründen, denn auch wenn die grobe Farb- und Oberflächengestaltung einer Bronzeskulptur schon im Vorfeld festgelegt werden kann, so bleibt am Ende doch jede Patinierung einzigartig und oft eine Überraschung.
Deshalb passt auch der Vergleich mit einem Ü-Ei ganz gut, auch wenn Material und die geschichtliche Schwere des Verfahrens in einer anderen Liga spielen.

Es ist die Unkalkulierbarkeit der chemischen Prozesse, die den Prozess des Patinierens jedes Mal zu einem Experiment mit unbekanntem Ausgang werden lassen.
Im Laufe der Jahre entwickelt aber auch jeder Gießer seine Eigenarten und verfeinert die Rezeptur seiner Tinkturen, die dann, zumindest im Fall meiner Gießerei, ein Geheimnis bleiben. Zu den Gängigsten Patinierungen zählen Schwefelleber, Kupfer-Nitrat, Salmiak, sowie Wismuth- und Silbernitrat Mischungen, die auf den vorher mit dem Flammenwerfer erhitzten Skulpturen mit Pinseln oder Spühflaschen aufgetragen werden.

Jörg Mazur - Tuffies Patina
Jörg Mazur – Tuffies Patina

Die Oberflächen der meisten meiner Skulpturen gehen auf eine Patina mit Schwefelleber zurück. Sie verleiht den Skulpturen eine dunkle Oberfläche, die im Laufe der Zeit partiell grüne Stellen aufweist, die mitunter auch ins türkis-bläuliche übergehen können. Die Oberfläche einer Skulptur verändert sich durch den fortlaufenden Prozess der chemischen Reaktionen mit Staubpartikeln und Aerosolen im Laufe der Zeit sehr stark. Eine starke Patina ist dabei in den allermeisten Fällen durchaus gewünscht und bei Sammlern sehr beliebt.

Bei meinen Lurchskulpturen habe ich ein paar Mal selbst das Patinieren übernommen. Es ist eine recht stinkige aber reizvolle Angelegenheit, da stets ein Überraschungseffekt garantiert ist.

Jörg Mazur - Tuffis Patina
Jörg Mazur – Tuffis Patina

Tuffi hat aus ganz pragmatischen Gründen eine Kupfer-Nitrat Patinierung erhalten. Diese entspricht optisch dem natürlichen Alterungseffekt einer Bronze und ist absolut wartungsfrei. Als ich Tuffi zum ersten Mal mit der grünen Patina sah, war die Oberfläche noch nicht komplett ergrünt. Ich war trotzdem sofort verliebt, weil ich wusste, dass sich dieses Grün wunderbar von der grauen Farbe der Stahlbögen abheben würde und der antike Look 1A zu den Traggerüsten aus der Zeit des Jugendstils passen.

Jörg Mazur - Tuffies Patina
Jörg Mazur – Tuffies Patina
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